1835 – 1900
Erst blüht es still und
unbekannt der Menge,
Sie gehn vorbei dem süßen
Himmelsbrote,
Der Schwarm ehrt nur die
tönerne Pagode,
Doch ist sein Geist für
göttliches zu enge.
Spät erst entdeckt’s der
Kenner im Gedränge,
Und sieh! gleich dräut ihm
Neid als Antipode;
Doch endlich siegt’s; o Glück,
dann wird es Mode,
Und tausend Schwätzer weihn
ihm Lobgesänge.
Nun stirbt, der’s schuf, nach
dunklem Erdenlose: -
Gleich schart das Volk sich
zum Erinnrungsfeste,
Und hehr in Erz sieht ihn die
Nachwelt ragen;
Und die ihn flohn in seines
Lebens Tagen,
Sie sammeln sorgsam seines
Daseins Reste
Und stehn gerührt vor seiner
Tabaksdose.
1835 – 1900
Es galt mir nie als Heimatland
die Erde,
Stets bin ich fremd durchs Weltgewühl
gegangen;
Mir weckte nie noch sehnendes
Verlangen,
Was ihr erstrebt mit wichtiger
Gebärde.
Mich lockt nur eins: daß nicht
die Welt gefährde,
Was Höchstes in der Brust mir
aufgegangen;
Als Priester hüt’ ich treulich
und mit Bangen
Die heil’ge Glut auf reinem
Seelenherde.
Und schau’ ich all die
hastende Bewegung,
Den heißen Drang, das
ungestüme Sehnen,
Den Kampf um Geld und Gut, um
Rang und Ehren,
Dann steh’ ich stumm und
lächle sonder Regung
Und spreche gleich dem
Hehrsten der Hellenen:
„Wie viel, wie viel, mein
Herz, kannst du entbehren!“
1835 – 1900
Von tiefstem Fühlen treu uns
zu berichten:
Doch schöner, traun, sind, die
wir nimmer dichten,
Die Lieder, die uns ruhn im
Herzensgrunde:
Die flücht’gen Stimmen, die,
in goldner Stunde
Verronnen kaum, im Nu sich
selbst vernichten,
Geheimsten Wehs und höchster
Lust Geschichten,
Davon gab nie ein Dichterwort
noch Kunde.
Dem See gleich, der ein
unergründlich Leben
Zu tief umschließt, doch oben
leis nur zittert,
Hegt unsre Brust ein endlos
Glühn und Streben;
Und was im Wirbel des
Gestaltendranges
Der Form sich fügt, in Worten
sich zersplittert,
Nur schwacher Nachhall ist’s
des innern Klanges.
1835 – 1900
Verwittert steht und kahl und morsch und grau
Die Memnonssäule fern am
Wüstenrande,
Doch goldne Klänge schickt sie
durch die Lande,
Hebt sich der Sonnenball in’s
Aetherblau.
Der Wundersäule gleicht mein
Herz genau:
Gezwängt in lähmender
Erstarrung Bande
Schweigt’s stumm und todt,
versteint vom Alltagstande,
Und schätzt der Wüste gleich
den Weltenbau.
Doch wenn entzückend gleich
dem jungen Tage
Empor sich hebt aus meines
Lebens Nacht
Ein Sonnenbild geschmückt mit
Morgenschöne,
Dann bebt, durchzuckt von feinem
Zauberschlage,
Mein starres Herz und dehnt
sich und erwacht,
Und in ihm klingen tausend
Himmelstöne.
1835 – 1900
Das ist des Frühlings Gruß,
der wunderholde,
Sanft kost der Wind mit
Fluthen, spiegelglatten,
Die Welt wird hell, es grünen
neu die Matten,
Es sproßt am Strauch die junge
Blüthendolde.
Zu Wolken auf, umsäumt vom
Sonnengolde,
Blick’ ich im Traum, mich
lockt’s in Waldesschatten,
Im Herzen fühl’ ich seliges
Ermatten
Und neuen Drang nach süßem
Minnesolde.
Und wieder seufz’ ich nach dem
hehren Bilde,
Das lustig gaukelnd mir
gewinkt seit Jahren
Und das sich stets entzog dem
heißen Sehnen:
Wo bist du? sprich! mein Herz
vergeht, das wilde,
Mich drängt’s unendlich, Mund
mit Mund zu paaren
Und stumm mein Haupt an deine
Brust zu lehnen.
1835 – 1900
Sonst wenn des Frühlings erste
Boten nahten,
Ward wach im Busen Sehnsucht
sondergleichen,
Ein Glück, ein ganzes Glück
wollt’ ich erreichen
Und jagt’ ihm nach durch
Wälder, Fluren, Saaten.
Nun weiß ich, Glück, drum
meine Lippen baten,
Es blüht nicht in des Erdballs
weiten Reichen;
Genug, wenn das Geschick mit
grimmen Streichen
Mich herb nicht stört in rüst’gen
Geistestaten.
Und fremd der Jugend
Sehnsuchtsdrang, dem leeren
Nach öden Winters
leidenreichen Schrecken
Spür’ ich beglückt schon hohe
Seelenwonne,
Wenn heim die ersten
Wandervögel kehren,
Wenn Veilchen aus dem Gras die
Häupter strecken
Und Knospen schwell’n im
milden Licht der Sonne.