Albert Möser                              Das Schöne

1835 – 1900

Erst blüht es still und unbekannt der Menge,

Sie gehn vorbei dem süßen Himmelsbrote,

Der Schwarm ehrt nur die tönerne Pagode,

Doch ist sein Geist für göttliches zu enge.

 

Spät erst entdeckt’s der Kenner im Gedränge,

Und sieh! gleich dräut ihm Neid als Antipode;

Doch endlich siegt’s; o Glück, dann wird es Mode,

Und tausend Schwätzer weihn ihm Lobgesänge.

 

Nun stirbt, der’s schuf, nach dunklem Erdenlose: -

Gleich schart das Volk sich zum Erinnrungsfeste,

Und hehr in Erz sieht ihn die Nachwelt ragen;

 

Und die ihn flohn in seines Lebens Tagen,

Sie sammeln sorgsam seines Daseins Reste

Und stehn gerührt vor seiner Tabaksdose.

 

 

 

 

Albert Möser

1835 – 1900

Es galt mir nie als Heimatland die Erde,

Stets bin ich fremd durchs Weltgewühl gegangen;

Mir weckte nie noch sehnendes Verlangen,

Was ihr erstrebt mit wichtiger Gebärde.

 

Mich lockt nur eins: daß nicht die Welt gefährde,

Was Höchstes in der Brust mir aufgegangen;

Als Priester hüt’ ich treulich und mit Bangen

Die heil’ge Glut auf reinem Seelenherde.

 

Und schau’ ich all die hastende Bewegung,

Den heißen Drang, das ungestüme Sehnen,

Den Kampf um Geld und Gut, um Rang und Ehren,

 

Dann steh’ ich stumm und lächle sonder Regung

Und spreche gleich dem Hehrsten der Hellenen:

„Wie viel, wie viel, mein Herz, kannst du entbehren!“

 

 

 

 

 

Albert Möser

1835 – 1900

Es klang schon manches Lied aus Dichtermunde

Von tiefstem Fühlen treu uns zu berichten:

Doch schöner, traun, sind, die wir nimmer dichten,

Die Lieder, die uns ruhn im Herzensgrunde:

 

Die flücht’gen Stimmen, die, in goldner Stunde

Verronnen kaum, im Nu sich selbst vernichten,

Geheimsten Wehs und höchster Lust Geschichten,

Davon gab nie ein Dichterwort noch Kunde.

 

Dem See gleich, der ein unergründlich Leben

Zu tief umschließt, doch oben leis nur zittert,

Hegt unsre Brust ein endlos Glühn und Streben;

 

Und was im Wirbel des Gestaltendranges

Der Form sich fügt, in Worten sich zersplittert,

Nur schwacher Nachhall ist’s des innern Klanges.

 

 

 

 

Albert Möser

1835 – 1900

Verwittert steht und kahl und morsch und grau

Die Memnonssäule fern am Wüstenrande,

Doch goldne Klänge schickt sie durch die Lande,

Hebt sich der Sonnenball in’s Aetherblau.

 

Der Wundersäule gleicht mein Herz genau:

Gezwängt in lähmender Erstarrung Bande

Schweigt’s stumm und todt, versteint vom Alltagstande,

Und schätzt der Wüste gleich den Weltenbau.

 

Doch wenn entzückend gleich dem jungen Tage

Empor sich hebt aus meines Lebens Nacht

Ein Sonnenbild geschmückt mit Morgenschöne,

 

Dann bebt, durchzuckt von feinem Zauberschlage,

Mein starres Herz und dehnt sich und erwacht,

Und in ihm klingen tausend Himmelstöne.                          

 

 

 

 

Albert Möser

1835 – 1900

Das ist des Frühlings Gruß, der wunderholde,

Sanft kost der Wind mit Fluthen, spiegelglatten,

Die Welt wird hell, es grünen neu die Matten,

Es sproßt am Strauch die junge Blüthendolde.

 

Zu Wolken auf, umsäumt vom Sonnengolde,

Blick’ ich im Traum, mich lockt’s in Waldesschatten,

Im Herzen fühl’ ich seliges Ermatten

Und neuen Drang nach süßem Minnesolde.

 

Und wieder seufz’ ich nach dem hehren Bilde,

Das lustig gaukelnd mir gewinkt seit Jahren

Und das sich stets entzog dem heißen Sehnen:

 

Wo bist du? sprich! mein Herz vergeht, das wilde,

Mich drängt’s unendlich, Mund mit Mund zu paaren

Und stumm mein Haupt an deine Brust zu lehnen.

 

 

Albert Möser

1835 – 1900

Sonst wenn des Frühlings erste Boten nahten,

Ward wach im Busen Sehnsucht sondergleichen,

Ein Glück, ein ganzes Glück wollt’ ich erreichen

Und jagt’ ihm nach durch Wälder, Fluren, Saaten.

 

Nun weiß ich, Glück, drum meine Lippen baten,

Es blüht nicht in des Erdballs weiten Reichen;

Genug, wenn das Geschick mit grimmen Streichen

Mich herb nicht stört in rüst’gen Geistestaten.

 

Und fremd der Jugend Sehnsuchtsdrang, dem leeren

Nach öden Winters leidenreichen Schrecken

Spür’ ich beglückt schon hohe Seelenwonne,

 

Wenn heim die ersten Wandervögel kehren,

Wenn Veilchen aus dem Gras die Häupter strecken

Und Knospen schwell’n im milden Licht der Sonne.